Klimakrisenzeit

In Print- und anderen Medien kursiert seit Kurzem eine neue Redensart, die lautet: „Wir befinden uns mitten in der Klimakrise.“ Nachdem in vielen Medien jahrelang darüber nachgedacht wurde, ob es überhaupt ein Problem mit dem Klima gäbe, scheinen wir nun unvermittelt mitten drin gelandet zu sein.

Die Klimawissenschaften weisen schon seit Längerem darauf hin, dass das Klima sich verändert und dass die Ursache dafür vor allem in der Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu finden ist.

Die Situation und die Dynamik des Klimas werden in langen Messreihen ermittelt. Der minimale Zeitraum dafür umfasst dreißig Jahre. Insbesondere für die Zeiträume ab den Siebzigerjahren zeigen diese Messreihen eine Zunahme des CO2 Gehalts der Atmosphäre und steigende Durchschnittstemperaturen. Der physikalische Zusammenhang zwischen höherem CO2 Gehalt und steigender Temperatur ist seit über einhundert Jahren bekannt.

Haben wir also den Beginn der sog. Klimakrise verpasst? Wenn wir diesen Beginn auf die Siebzigerjahre legen würden, dann hätten wir etwa fünfzig Jahre damit verbracht, darüber zu diskutieren, ob so ein Wandel überhaupt stattfindet und falls ja, woran das liegen mag. Und jetzt sind wir hopplahopp mittendrin in der Krise, die jetzt eigentlich passender als Katastrophe zu bezeichnen wäre.

Krise oder Katastrophe?

Denn im Begriff der „Krise“ steckt noch die Bedeutung der Unterscheidung, der möglichen Abwägung nach den besten Entscheidungen. Dagegen beschreibt der Begriff „Katastrophe“, dass etwas hereinbricht. Und was seit einigen Jahren regelmäßiger, häufiger und heftiger hereinbricht sind Brände, Fluten, Stürme, Dürren, extreme Kälte- und Hitzeereignisse und ein Ende dieses Trends ist im Moment nicht absehbar.

Nun könnte man sich überlegen, wie der Zeithorizont von Klimaprozessen zu bemessen wäre. Da gibt es z. B. die bekannte Tatsache, dass CO2 ca. eintausend Jahre in der Atmosphäre erhalten bleibt. Dazu passt die schon häufig gemachte Feststellung, dass, selbst wenn wir sofort damit aufhören würden, CO2 in die Luft zu blasen, die Erwärmung bis auf Weiteres weiterginge.

Allerdings wird nicht damit aufgehört, die Atmosphäre weiter mit Kohlendioxid anzureichern. Das liegt an einem sog. „Budget“, das, wenn es eingehalten wird, sicherstellen soll, dass die Temperatur nicht über 2° C ansteigen wird. Wie alle Szenarien der Klimamodellierung beruht diese Berechnung auf einigen Schätzwerten und Unsicherheiten. Etliche der so gewonnenen Zukunftsprognosen wurden bereits weit vor der ihnen vorhergesagten Zeit wahr.

Wie lange dauert eine Klimakrise?

Aber einmal angenommen, die nächste Weltklimakonferenz würde zu einem beschleunigten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen führen. Dann würde sich der Erwärmungsprozess noch etwa fünf bis sechshundert Jahre fortsetzen. Danach bräuchte es wohl einen ähnlich langen Zeitraum für die Abkühlung. So betrachtet würde die Klimakrisenära etwa tausend Jahre dauern und mittendrin wären wir etwa im Jahr 2500.

Da aber global verbindliche klimawirksame Maßnahmen eher noch in fernerer Zukunft liegen, wird die Krisen- bzw. Katastrophenzeit wohl eher etwas länger dauern. In einem gewissen Sinn stimmt also die Formulierung „mitten in der Klimakrise“, denn es wird immer noch um Wege gestritten, wie mit den Klimatatsachen umzugehen wäre. Aber tatsächlich denke ich, dass wir am Beginn der Klimakatastrophe angekommen sind.

Klima ist nicht alles, aber ohne Klima ist alles nichts

Meine Einschätzung der Klima Situation habe ich bereits in meinen letzten Beiträgen erläutert – ich sehe schwarz für die sogenannte Klimarettung!

Nun hat das Wuppertal Institut eine eindrucksvolle Studie erstellt in der die Maßnahmen aufgezählt werden, durch die Deutschland bis 2035 klimaneutral werden könnte.

So lobenswert und engagiert ich diese Studie auch finde, hat sie mich in meinem Pessimismus eher bestärkt. Ich kann mir keine Parteien- oder Regierungskonstellation vorstellen, die diese Maßnahmen hierzulande umsetzen könnte, selbst wenn sie das wollte.

Ich denke, das entspringt demselben Dilemma, wie die Einsicht darüber, dass der Klimawandel ein physikalisches Faktum ist, der Umgang mit ihm aber in der sozialen Realität stattfindet – eine Mischung, die ja auch in der aktuellen Corona Debatte für reichlich Verwirrung sorgt.

Der Bereich der physikalischen Gegebenheiten ist der Erforschung zugänglich. Sie kann dort Messungen vornehmen, Theorien formulieren und prüfen, Gesetzmäßigkeiten entdecken u.v.m. Im Bereich der Physik gilt weitestgehend das Gesetz der Kausalität – bestimmbare Ursachen erzielen zuverlässige Wirkungen. Dabei bleiben die physikalischen Wissensbestände immer vorläufig und nur gültig bis zum Nachweis ihrer Unrichtigkeit.

Ganz anders ist das im Bereich der sozialen, bzw. der politischen Gegebenheiten. Auch sie sind vorfindlich – bestanden also schon vor der Geburt jedes zeitgenössischen Menschen, und erscheinen dadurch als ebenso real wie die Schwerkraft oder ein Dieselmotor, haben jedoch eine ganz andere Entstehungsgeschichte.

Soziale Gegebenheiten können als soziale „Konstruktionen“ verstanden werden. Ein Satz von Grundannahmen, Vereinbarungen und Regeln, die sich aus den Notwendigkeiten der Lebensführung ergeben haben. Mit der Zeit werden sie zum selbstverständlichen Hintergrund einer Kultur (so ist das hier), entwickeln dadurch eine Art Eigenleben, und sorgen wie von selbst dafür, dass sie sich erhalten und weiterentwickeln. So gewinnen sie den Anschein, auf dieselbe Art real zu sein, wie der Stuhl auf dem ich sitze. Genau deshalb gelten in der sozialen Wirklichkeit keine Ursachen, sondern hier zählen Gründe.

Eine Zwiebel zu schneiden ist eine Ursache für Tränen. Einen Verlust zu erleiden ein Grund für Tränen. Nicht jeder Verlust wird betrauert und beweint, manchmal kann sich sogar Erleichterung breit machen. Ganz anders die ätherischen Öle einer Zwiebel, die recht zuverlässig die menschliche Nase und Bindehaut reizen.

Nun gibt es Menschen, die folgen einem naiven Materialismus. Sie denken, dass der soziale Bereich genauso stumpf und blind funktioniert wie Magnetismus. Sie argumentieren mit angeblich zwingenden Ursachen für notwendige soziale Veränderungen.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die einem naiven Konstruktivismus folgen. Sie denken, dass Magnetismus genauso sozial konstruiert sei, wie das Finanzamt oder Geld. Sie argumentieren mit kontingenten (es könnte auch anders sein) Gründen über physikalische Fakten.

Es liegt auf der Hand, dass hier kaum eine Verständigung gelingen kann. Und es ist ja auch verzwickt – ein hundert Euro Schein ist doch ein physikalischer Gegenstand! Ja, aber sein Wert hat mit dem Stück Papier rein gar nichts zu tun. Soziale Konstruktionen (Objektivationen) können also mit physikalischen Mitteln repräsentiert werden, werden aber dadurch nicht zu physikalischen Objekten.

Und es ist sogar noch verzwickter. Die Physik eines Apfels, der vom Baum fällt, einer Kompassnadel, die nach Norden zeigt, einer Energiesparlampe, die man einschalten kann, bieten überschaubare Szenarien. Das Klimasystem der Erde ist allerdings eine ganz andere Nummer. Hier gibt es unterschiedliche Einflüsse, die sich gegenseitig hemmen oder verstärken und gehemmt/verstärkt auf den nächsten Einfluss zurückwirken usw. Man spricht von einem komplexen System.

In einem solchen System gibt es immer noch Kausalität, aber nun kommt es zu Sprüngen, Rückkoppelungen und Streuungen in den Auswirkungen. Die Einflussfaktoren sind so zahlreich, dass noch nicht einmal sicher ist, ob schon alle gefunden worden sind. Und damit wird das, was wir an der Kausalität so schätzen, nämlich ihre Vorhersagekraft, deutlich schwächer. Damit wird die Physik von komplexen Systemen den sozialen Systemen ähnlich, bleibt aber immer noch Physik.

Ein Einflussfaktor auf das Klima sind die Lebewesen des Planeten. Tatsächlich hätte die Erde ohne Lebewesen nicht das Klima, das sie hat, es gäbe z.B. keinen Sauerstoff in der Atmosphäre. Gleichzeitig wirkt auch das Klima auf die Lebewesen zurück. Die wechselseitige Einflussnahme ist physikalischer Natur, also zwingend. Wenn sich die Klimazonen verschieben (was sie ja bereits tun) ziehen kälteliebende Arten weiter nach Norden und wärmeliebende finden ebenfalls weiter nördlich neuen Lebensraum. Auf der anderen Seite sorgt z.B. mehr oder weniger Pflanzenwuchs zu Unterschieden in der Speicherung oder Reflektion von Sonnenlicht.

Die Klimaveränderung, die durch menschliche Aktivitäten erzwungen wird, wird also ebenso zwingend auf die Menschheit zurückwirken. Im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren haben Menschen allerdings eine Wahl, wie sie mit dieser Veränderung umgehen wollen. Diese Wahl wiederum muss nun politisch ausgehandelt und im Zweifel auch verwirklicht werden.

In dieser Arena treffen dann naive Materialisten auf ebenso naive Konstruktivisten, werden dabei von pragmatischen Opportunisten unterstützt oder gegeneinander ausgespielt und am Ende entsteht ein Kompromiss der so tut, als wären die Maßnahmen den physikalischen Prozessen angemessen. Aber leider lässt sich mit der Physik kein Kompromiss schließen, stumpf und beharrlich führen Ursachen zu Wirkungen, die zu weiteren Ursachen werden usf.

Die klimatischen Bedingungen gehören zum unvermeidlichen Hintergrund der Lebensführung. Ändert sich der Hintergrund, wird sich auch die Lebensführung verändern. Falls genügend Zeit gegeben ist, können soziale Systeme ihre Konstruktionen entsprechend anpassen, ohne dass es zu größeren Konflikten führt. Leider ist die Zeit schon ziemlich knapp geworden und der Veränderungsdruck bereits ziemlich hoch. Veränderungen werden also notwendig stattfinden und die einzige Wahl, die bleibt, ist, ob die Veränderungen aktiv gestaltet oder passiv erlitten werden.

Wenn ich auch keine Hoffnung für die Pariser Klimaziele habe, unterstütze ich dennoch Klimabewegungen – Fridays, Parents, Scientists … For Future, Extinction Rebellion, Fossil Free, Freedom Soil, BUND, Greenpeace … Sie alle weisen auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit hin angemessen auf das Klima-Desaster zu reagieren und alles notwendige zu tun um zu retten, was zu retten ist.

 

 

Schlimmer geht’s immer

Es gibt wenig Erfreuliches an Klimaneuigkeiten. Na ja, ein paar Biotope werden eingerichtet, Autos allmählich auf elektrisch umgestellt, Wind- und Sonnenstrom werden immer billiger und das Bewusstsein für die Klimaproblematik wächst so langsam …

Dennoch denke ich, dass man schon sehr optimistisch eingestellt sein muss, wenn man noch an das Erreichen des 1,5° C Ziels glauben mag. Wahrscheinlicher und plausibler erscheinen die Prognosen, dass sogar die 2° C mehr nicht mehr zu erreichen sind. Wie es dann weitergehen wird lässt sich kaum vorhersagen – ziemlich sicher erscheint, dass sich dann sehr viel verändern wird.

Woran das liegt? Bekanntlich wurde wider besseres Wissen mindestens dreißig Jahre zu spät damit begonnen, CO2 Emissionen zu verringern. Sogar heute noch, im Jahr 2020, steigen die Emissionen immer weiter an und mehr noch, gigantische Summen fließen weiterhin in die Erkundung und Infrastruktur von neuen Öl- und Gasvorkommen, und gewaltige Beträge an Steuergeldern subventionieren das immer noch weiter.

Derweil brennen die Wälder, taut das Eis, fliehen die Menschen vor der Hitze, fegen die Hurrikans übers Land, gehen Ernten zugrunde, trocknen Quellen aus, brechen Ökosysteme zusammen, sterben Tiere aus, entstehen neue Krankheiten und die Klimazonen verschieben sich bereits.

Und es ist kein Ende abzusehen. Die einzigen Nationen, die schnell CO2 neutral werden wollen sind zu unbedeutend, als dass sie das Ruder herumreißen könnten. Die großen Nationen nehmen für sich das Recht in Anspruch, erst in einigen zehn Jahren ihren Ausstoß zu verringern.

Die Gründe für diese Entwicklung erscheinen vielfältig, komplex, verwickelt, miteinander verbunden, zufällig, unübersichtlich, übermächtig, undurchschaubar, beliebig, unzugänglich und teilweise unbekannt. Alles hat irgendwie mit allem anderen zu tun, und das wird dann gerne „Das System“ genannt, das sich irgendwie ändern soll, bzw. muss.

Zum „System“ werden Elemente in beliebiger Mischung zusammengewürfelt – z.B.: Kapitalismus, Imperialismus, Kolonialismus, Korruption, Neoliberalismus, Totalitarismus, Industrialisierung, Lobbyismus, Egoismus, Globalisierung, Nationalismus, Digitalisierung …

Aber wer kann das, was „System“ genannt wird, überhaupt verstehen? Und falls es verstanden werden könnte, wer hätte dann die Macht es zu verändern?

Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie!

Ich halte nichts davon, die Augen vor diesem Szenario zu verschließen. Ich will keine tröstenden Parolen hören, keine Relativierungen, und mich auch nicht mit falschen Hoffnungen beruhigen lassen. Ich fühle mich verängstigt und verärgert, empört und erschrocken, wütend und traurig, betroffen und besorgt, ratlos und ohnmächtig, rastlos und gelähmt und finde das angesichts dieser Lage ziemlich angemessen.

Ich halte aber auch nichts davon, mich von diesem Befund niederschmettern zu lassen. Das Leben geht weiter, mein Leben geht weiter bis es zu Ende ist. Ich habe Handlungsmöglichkeiten, Vorstellungskraft, Fantasien und meine Willenskraft. Ich habe Menschen, die ich liebe, Menschen, die mich lieben, Familie, Freunde, Bekannte und ich bin immer noch neugierig auf das, was die Zukunft wohl so bringen mag.

Ich kann tanzen, mich an etwas erfreuen, die Natur genießen, Kunst bewundern, lachen, Witze machen, lernen, arbeiten, Feste feiern, Gutes tun, spielen, Lust empfinden, Unsinn treiben – ein Mensch sein.

Und das ist vielleicht mein Fünkchen Hoffnung, dass es genügend Menschen gibt, denen das Mensch-Sein für ein „Wir“ genügt. Dass diese Menschen sich auch finden können und gemeinsam das gestalten werden, was die Zukunft bringen wird.

Corona und Klima

der verlorene Handschuh ist ein Symbol für die kalte Hand des Autors

Vergangenen Herbst hatte ich meinen „Holy Shit Moment“. Die erschütternde Einsicht, dass es für die sog. Rettung des Klimas zu spät ist. Ich fühlte mich zutiefst niedergeschlagen, traurig, zornig, ratlos, ohnmächtig – fast gelähmt. Dieser Zustand hielt etwa drei Monate an. Nach und nach habe ich meinen Frieden damit gefunden.

Noch ist es nicht soweit und auch wenn es ganz schlimm kommt, gibt es immer noch etwas Sinnvolles zu tun. Bis dahin lohnt sich der Kampf um jedes zehntel Grad und um die Einsicht möglichst vieler Mitmenschen.

Vor diesem Hintergrund erlebe ich jetzt die Corona Pandemie, und ich muss sagen, ich erlebe sie sehr gelassen. Natürlich habe ich Mitgefühl mit den Betroffenen – mit Kranken, Helfern und den Hinterbliebenen. Ich befürchte, dass sich die Situation noch erheblich verschlechtern wird – in Freiburg, ganz Deutschland und überall auf der Welt. Corona wurde jüngst als eine Naturkatastrophe in Zeitlupe bezeichnet.

Genau das wurde auch schon über den Klimawandel gesagt. Jetzt muss dessen Verlauf wohl als eine Ultra-Zeitlupe bezeichnet werden. Vielerorts noch kaum merklich, aber mit großer Beharrlichkeit.

Ich bin auf den Sommer gespannt. Was wird geschehen, wenn zu Corona und Quarantäne noch die Hitze und die Trockenheit kommen, die der Gesundheit ja auch nicht besonders zuträglich sind?

Anders herum könnte ich auch das Erscheinen von Corona als eine Art Zeitraffer des Klimawandels sehen. Es geschieht so ungefähr das, was mit dem Einsetzen der Klimakatastrophe ebenfalls geschehen wird. Natürlich in einem lächerlich kleinen Maßstab. Schon von den absoluten Zahlen her.

Corona mag vielleicht zwanzig oder dreißig Millionen Menschen töten (wie die Spanische Grippe).

Der „Second Worst Case“ der Klimakatastrophe kann sechs Milliarden Menschen die Möglichkeit nehmen, überhaupt zu leben.

Die rechnende Vernunft sagt:

Corona – nicht einmal 1 Prozent der Weltbevölkerung.

Klimakatastrophe – etwa 88 Prozent.

Wir erleben gerade lange Schlangen vor den Supermärkten, Hamsterkäufe und Rangeleien um die Befolgung von Vorsichtsmaßnahmen. Wir erleben eine rasante Einschränkung von Bürgerrechten. Wir erleben die teilweise Überforderung staatlicher Möglichkeiten und Mittel. Wir erleben Überlastungen der öffentlichen Infrastruktur. Wir erleben einen Zusammenbruch der Wirtschaft. Wir erleben, wie sich viele Staaten abkapseln, anstatt gemeinsam der Gefahr zu begegnen.

Was wird geschehen, wenn Lebensmittel und Wasser wirklich knapp werden, wenn Millionen Klimageschädigte nach Norden drängen, wenn Millionen Küstenbewohner ihre Städte räumen müssen?

Corona Lektionen

Und was lernen wir nicht alles mit Corona?! Dass individuelle Handlungen Folgen für andere nach sich ziehen – Folgen, die zu verantworten sind. Das gilt natürlich zu allen Zeiten, in allen menschlichen Gemeinschaften, aber jetzt, macht Corona das richtig deutlich.

Wir lernen, dass Ordnungspolitik große Veränderungen in kurzer Zeit bewerkstelligen kann.

Wir lernen, dass die Wirtschaft nicht ohne staatliche Unterstützung funktioniert.

Wir lernen Statistik! Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie war relativ niedrig, aber dass sie irgendwann auftritt wiederum recht gewiss. Jede Möglichkeit, und sei sie noch so unwahrscheinlich, kann Wirklichkeit werden (Vielleicht schaffen wir das 2° Ziel – das ist derzeit wahrscheinlicher als das 1,5° Ziel zu erreichen und wahrscheinlicher als eine 4°- 6° Erwärmung, die aber immer noch möglich ist, und sogar wahrscheinlicher wird, je näher wir den 2° kommen).

Und wir lernen die Exponentialfunktion! Das war die Sache mit dem Schachbrett. Da legt man ein Korn Reis auf das erste Feld; zwei auf das zweite, vier auf das dritte, acht auf das vierte usw. Es gibt aber nicht so viele Reiskörner auf der Erde, um das 64te Feld zu füllen. Derzeitiger Stand bei Corona in Deutschland: Etwa 14tes Feld – ein neues Feld etwa alle drei bis vier Tage. Derzeitiger Stand der Klimaveränderungen: Hohe Gefahr einer exponentiellen Zunahme von z.B. Methan mit verheerenden Folgen.

Sicher zeigt Corona uns, was im Zweifelsfall wirklich wichtig und hilfreich ist – Solidarität, aufeinander achten, füreinander sorgen, aufeinander Rücksicht nehmen, vernünftig bleiben u.v.m.

Im günstigsten Fall werden Lehren aus der Corona Erfahrung gezogen. Z.B. dass Vorsorge ein wichtigeres Prinzip ist, als Profitstreben. Dass staatliche Ordnungsstrukturen wesentlich für ein bekömmliches Miteinander sind. Dass Selbstverantwortung mindestens so wichtig ist wie Selbstverwirklichung und Solidarität. Dass es nicht nur in Krisenzeiten auf jeden und jede Einzelne ankommt, wenn es um die Zukunft geht.

Dumm gelaufen?

Wir können es nicht mehr schaffen. Nicht das 1,5° Ziel, nicht das 2° Ziel und wahrscheinlich nicht einmal das 4° Ziel.*
Warum wir es nicht schaffen können? Es gibt kein sogenanntes CO² Budget. Es ist bereits so viel CO² in der Atmosphäre, dass die Kipp-Punkte unvermeidlich ausgelöst werden, möglicherweise schon ausgelöst sind – Es heißt, dass die Menschheit ab diesem Moment die Kontrolle über das Klima verlöre.

Haha! Als hätte die Menschheit jemals eine Kontrolle über das Klima gehabt. Alles was die Menschheit bisher mit dem Klima gemacht hat, ist, es mit seinen gasförmigen Abfällen zuzuscheißen. Und da sitzen wir jetzt – in der Scheiße.

Immerhin, die Luft ist sehr viel sauberer geworden – viel weniger Partikel drin als früher. Blöderweise verstärkt das jetzt die Erhitzung, denn die Feststoffe haben wenigstens Sonnenlicht abgehalten.

Und außerdem haben wir das Ozonloch (fast) wieder gestopft, nachdem wir es aus Versehen aufgerissen haben. Ja, das war ein Erfolg! Eine internationale, globale Verzichtsvereinbarung für FCKW. Das müsste man doch noch einmal hinbekommen können. Zumal die Erderhitzung so viel gefährlicher ist, als es das Ozonloch jemals war. Wir müssten ja nur darauf verzichten, weiterhin CO², Methan, Lachgas etc. auszustoßen.

Aber das erweist sich als eine viel größere Herausforderung, als das bisschen Treibgas in Spraydosen. Denn CO² ist der Abfall von fossilen Brennstoffen, dem Rückgrat der globalen Energiewirtschaft. Den Ausstoß sofort zu beenden, würde bedeuten, dass einige der Erdölproduzierenden Staaten von jetzt auf gleich zahlungsunfähig wären. Die Wirtschaft würde zusammenbrechen und die darauf folgenden sozialen Unruhen wären so gewaltig, dass niemand sich das vorstellen mag. Und das allerschlimmste daran wäre, dass es nicht einmal mehr etwas Qualitatives ändern würde – bestenfalls könnte ein 6° Szenario vermieden werden – aber um welchen Preis? – Andererseits wäre der Preis für ein 6° Szenario wohl der Untergang der menschlichen Zivilisation, wenn nicht sogar der Gattung.

Ja, wie gesagt. Schöne Scheiße!

Die Frage ist so betrachtet also nicht: Ob die Katastrophe kommt, sondern wann und wie sie einsetzt und wie es dann weitergehen wird.

Was soll man tun in so einer Situation? Was kann man überhaupt noch tun?

Aufgeben zählt nicht.

*Wasdell, D. (2015), „Climate Dynamics: Facing the Harsh Realities of Now.“
Verfügbar unter: http://www.apollo-gaia.org/Harsh%20Realities.pdf
und: https://www.pnas.org/content/115/33/8252

2020

Sieh nur wie die Wälder brennen!
und die Menschen rennen hinterher
Felder, die kein Grün mehr kennen
und die Bäuche bleiben leer

Sieh nur wie die Gletscher schmelzen!
und die Menschen schauen zu
wie sich Fluten talwärts wälzen
wo die Luft knapp wird, im Nu

Sieh die Menschen, wie sie suchen!
was sie brauchen, um zu sein
wie sie beten, wie sie fluchen
winzig groß und riesig klein.

Sieh die Erde, diesen Planeten
da treibt er durch das weite All
auf das zu, was auch immer werde
aus diesem ganz speziellen Fall