Klima ist nicht alles, aber ohne Klima ist alles nichts

Meine Einschätzung der Klima Situation habe ich bereits in meinen letzten Beiträgen erläutert – ich sehe schwarz für die sogenannte Klimarettung!

Nun hat das Wuppertal Institut eine eindrucksvolle Studie erstellt in der die Maßnahmen aufgezählt werden, durch die Deutschland bis 2035 klimaneutral werden könnte.

So lobenswert und engagiert ich diese Studie auch finde, hat sie mich in meinem Pessimismus eher bestärkt. Ich kann mir keine Parteien- oder Regierungskonstellation vorstellen, die diese Maßnahmen hierzulande umsetzen könnte, selbst wenn sie das wollte.

Ich denke, das entspringt demselben Dilemma, wie die Einsicht darüber, dass der Klimawandel ein physikalisches Faktum ist, der Umgang mit ihm aber in der sozialen Realität stattfindet – eine Mischung, die ja auch in der aktuellen Corona Debatte für reichlich Verwirrung sorgt.

Der Bereich der physikalischen Gegebenheiten ist der Erforschung zugänglich. Sie kann dort Messungen vornehmen, Theorien formulieren und prüfen, Gesetzmäßigkeiten entdecken u.v.m. Im Bereich der Physik gilt weitestgehend das Gesetz der Kausalität – bestimmbare Ursachen erzielen zuverlässige Wirkungen. Dabei bleiben die physikalischen Wissensbestände immer vorläufig und nur gültig bis zum Nachweis ihrer Unrichtigkeit.

Ganz anders ist das im Bereich der sozialen, bzw. der politischen Gegebenheiten. Auch sie sind vorfindlich – bestanden also schon vor der Geburt jedes zeitgenössischen Menschen, und erscheinen dadurch als ebenso real wie die Schwerkraft oder ein Dieselmotor, haben jedoch eine ganz andere Entstehungsgeschichte.

Soziale Gegebenheiten können als soziale „Konstruktionen“ verstanden werden. Ein Satz von Grundannahmen, Vereinbarungen und Regeln, die sich aus den Notwendigkeiten der Lebensführung ergeben haben. Mit der Zeit werden sie zum selbstverständlichen Hintergrund einer Kultur (so ist das hier), entwickeln dadurch eine Art Eigenleben, und sorgen wie von selbst dafür, dass sie sich erhalten und weiterentwickeln. So gewinnen sie den Anschein, auf dieselbe Art real zu sein, wie der Stuhl auf dem ich sitze. Genau deshalb gelten in der sozialen Wirklichkeit keine Ursachen, sondern hier zählen Gründe.

Eine Zwiebel zu schneiden ist eine Ursache für Tränen. Einen Verlust zu erleiden ein Grund für Tränen. Nicht jeder Verlust wird betrauert und beweint, manchmal kann sich sogar Erleichterung breit machen. Ganz anders die ätherischen Öle einer Zwiebel, die recht zuverlässig die menschliche Nase und Bindehaut reizen.

Nun gibt es Menschen, die folgen einem naiven Materialismus. Sie denken, dass der soziale Bereich genauso stumpf und blind funktioniert wie Magnetismus. Sie argumentieren mit angeblich zwingenden Ursachen für notwendige soziale Veränderungen.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die einem naiven Konstruktivismus folgen. Sie denken, dass Magnetismus genauso sozial konstruiert sei, wie das Finanzamt oder Geld. Sie argumentieren mit kontingenten (es könnte auch anders sein) Gründen über physikalische Fakten.

Es liegt auf der Hand, dass hier kaum eine Verständigung gelingen kann. Und es ist ja auch verzwickt – ein hundert Euro Schein ist doch ein physikalischer Gegenstand! Ja, aber sein Wert hat mit dem Stück Papier rein gar nichts zu tun. Soziale Konstruktionen (Objektivationen) können also mit physikalischen Mitteln repräsentiert werden, werden aber dadurch nicht zu physikalischen Objekten.

Und es ist sogar noch verzwickter. Die Physik eines Apfels, der vom Baum fällt, einer Kompassnadel, die nach Norden zeigt, einer Energiesparlampe, die man einschalten kann, bieten überschaubare Szenarien. Das Klimasystem der Erde ist allerdings eine ganz andere Nummer. Hier gibt es unterschiedliche Einflüsse, die sich gegenseitig hemmen oder verstärken und gehemmt/verstärkt auf den nächsten Einfluss zurückwirken usw. Man spricht von einem komplexen System.

In einem solchen System gibt es immer noch Kausalität, aber nun kommt es zu Sprüngen, Rückkoppelungen und Streuungen in den Auswirkungen. Die Einflussfaktoren sind so zahlreich, dass noch nicht einmal sicher ist, ob schon alle gefunden worden sind. Und damit wird das, was wir an der Kausalität so schätzen, nämlich ihre Vorhersagekraft, deutlich schwächer. Damit wird die Physik von komplexen Systemen den sozialen Systemen ähnlich, bleibt aber immer noch Physik.

Ein Einflussfaktor auf das Klima sind die Lebewesen des Planeten. Tatsächlich hätte die Erde ohne Lebewesen nicht das Klima, das sie hat, es gäbe z.B. keinen Sauerstoff in der Atmosphäre. Gleichzeitig wirkt auch das Klima auf die Lebewesen zurück. Die wechselseitige Einflussnahme ist physikalischer Natur, also zwingend. Wenn sich die Klimazonen verschieben (was sie ja bereits tun) ziehen kälteliebende Arten weiter nach Norden und wärmeliebende finden ebenfalls weiter nördlich neuen Lebensraum. Auf der anderen Seite sorgt z.B. mehr oder weniger Pflanzenwuchs zu Unterschieden in der Speicherung oder Reflektion von Sonnenlicht.

Die Klimaveränderung, die durch menschliche Aktivitäten erzwungen wird, wird also ebenso zwingend auf die Menschheit zurückwirken. Im Gegensatz zu Pflanzen und Tieren haben Menschen allerdings eine Wahl, wie sie mit dieser Veränderung umgehen wollen. Diese Wahl wiederum muss nun politisch ausgehandelt und im Zweifel auch verwirklicht werden.

In dieser Arena treffen dann naive Materialisten auf ebenso naive Konstruktivisten, werden dabei von pragmatischen Opportunisten unterstützt oder gegeneinander ausgespielt und am Ende entsteht ein Kompromiss der so tut, als wären die Maßnahmen den physikalischen Prozessen angemessen. Aber leider lässt sich mit der Physik kein Kompromiss schließen, stumpf und beharrlich führen Ursachen zu Wirkungen, die zu weiteren Ursachen werden usf.

Die klimatischen Bedingungen gehören zum unvermeidlichen Hintergrund der Lebensführung. Ändert sich der Hintergrund, wird sich auch die Lebensführung verändern. Falls genügend Zeit gegeben ist, können soziale Systeme ihre Konstruktionen entsprechend anpassen, ohne dass es zu größeren Konflikten führt. Leider ist die Zeit schon ziemlich knapp geworden und der Veränderungsdruck bereits ziemlich hoch. Veränderungen werden also notwendig stattfinden und die einzige Wahl, die bleibt, ist, ob die Veränderungen aktiv gestaltet oder passiv erlitten werden.

Wenn ich auch keine Hoffnung für die Pariser Klimaziele habe, unterstütze ich dennoch Klimabewegungen – Fridays, Parents, Scientists … For Future, Extinction Rebellion, Fossil Free, Freedom Soil, BUND, Greenpeace … Sie alle weisen auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit hin angemessen auf das Klima-Desaster zu reagieren und alles notwendige zu tun um zu retten, was zu retten ist.

 

 

Die fatale Macht von Schätzen

Das Bild des Bergmassivs erinnert an Mittelerde

Frodo: “Ich wünschte, all das wäre nie passiert.“

Gandalf: “Das tun alle, die solche Zeiten erleben. Aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden. Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist.“

Dieser Dialog stammt aus dem „Herrn der Ringe“ – ich finde, er passt auch gut in unsere Zeit und das nicht mehr nur in Mittelerde.

Der Klimawandel mag sich als genauso schlimm erweisen, wie die rücksichtslosen Ränke des ruchlosen Sauron. Der Geist von Mordor ist bereits überall und nirgends, vor der eigenen Haustür und in fernen Weltgegenden – ebenso gestaltlos, wie der finstere Herrscher auf seinem dunklen Thron.

Wer kommt sich heute nicht wie Frodo der tapfere Hobbit vor? Wer fühlt sich nicht winzig klein vor den gewaltigen Bedrohungen, die bereits mancherorts hereinbrechen? Das Auenland aller Menschen ist von gefühl- und erbarmungslosen Mächten bedroht – Fluten, Dürren, Stürme, Brände und danach Krieg, Hunger, Flucht und Tod.

Aber im Unterschied zum Roman gibt es nicht die eine Tat, die uns alle retten könnte. So wie kein einzelner Mensch daran schuld ist, dass diese Mächte entfesselt wurden, so kann kein einzelner Mensch diese Mächte aufhalten. Menschen können sich nur zusammentun und versuchen, gemeinsam und planvoll zu handeln um zu retten, was zu retten ist – quasi ein Bündnis der Völker, wie das von Menschen, Zwergen, Elben und Ents.

Aber wie im Roman scheint es auch im wirklichen Leben Orks und Warge zu geben. Die Nazgul kreisen kreischend über unseren Köpfen und der Balrog versengt die Wälder. Nicht zu vergessen, die schillernden Zauberer vom Schlage eines Saruman, die uns weismachen wollen, dass grün, rot sei, und eben alles gar nicht so schlimm, und auch nicht die Gollums, die unsichtbar herumschleichen und ihren Opfern in die Waden beißen.

Und ebenso wie im Roman gibt es immer noch arglose Mitmenschen, die noch gar nichts von der Gefahr gehört haben; diejenigen, die von ihr gehört  haben, aber auf Rettung spekulieren; diejenigen, die kopflos versuchen, sich mit ungeeigneten Mitteln zu retten; und natürlich diejenigen, die schon aufgegeben haben, bevor es richtig angefangen hat.

Nun gibt es wie gesagt nicht diesen einen Ring, diesen SCHATZ, diese wertvolle Preziose aus reinem Gold, das mit überwältigender und tödlicher Macht ausgestattet ist, dessen Zerstörung alle retten könnte.

Aber vielleicht lässt sich der Schatz metaphorisch verstehen. Dann stünde er für alles, woran sich Menschen klammern, was sie nicht hergeben und nicht loslassen möchten. Sie glauben vielleicht auch, dass ihr Schatz ihnen eine besondere Macht verleiht, dass sie sich dank ihm von anderen Menschen abheben. Oder auch, dass der Schatz ein Talisman ist, der sie vor den zahllosen Gefahren, die in der Welt lauern, schützt.

Wenn ich die „Schätze“ der zeitgenössischen, (v.a. nördlichen) Zivilisationen betrachte – von Verkehrssystemen, Energieversorgung, Nahrungs- und Genussmitteln, über Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Demokratie, bis zu Lebens-, Renten- und Krankenversicherungen – dann kann ich verstehen, dass diese Errungenschaften Sicherheit und ein gutes Leben versprechen. Wer diese Schätze nicht hat, der strebt nach ihnen und wer sie schon hat, möchte sie nicht mehr missen.

Schade nur, dass diese Schätze einen Preis haben. Sie zu erschaffen und zu unterhalten bleibt nicht folgenlos für Gaia. Galadriel drückte es passend aus: „Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft.“ Schätze zu erschaffen scheint auch Unheil mit zu erschaffen.

Auch Frodo konnte den Ring nicht einfach aufgeben – er musste ihm vom Finger gebissen werden. Schätze loswerden kann weh tun. Worauf müssen wir in Zukunft wohl verzichten? Und wie können wir uns davon lösen? Was werden wir stattdessen finden? Und welchen Preis dann dafür bezahlen? Die Zukunft ist notorisch unvorhersagbar.

Aber für diesen Ausblick hat Samweis Gamdschie wohl die besten Worte gefunden:

Sam: „[…] Und manchmal wollte man das Ende gar nicht wissen, denn wie könnte so eine Geschichte gut ausgehen? Wie könnte die Welt wieder so wie vorher werden, wenn so viel Schlimmes passiert ist? […] Aber ich glaube, Herr Frodo, ich versteh‘ jetzt. Ich weiß jetzt: Die Leute in diesen Geschichten hatten stets die Gelegenheit umzukehren, nur taten sie’s nicht. Sie gingen weiter, weil sie an irgendetwas geglaubt haben!“

Frodo: Woran sollen wir glauben Sam?

Sam: Es gibt etwas Gutes in dieser Welt Herr Frodo, und dafür lohnt es sich zu kämpfen!“

Klima – März 2020

Die Gewitterwolken symbolsieren die heraufziehende Katastrophe

Die neue Klimabewegung ist nun mehr als ein Jahr alt. Fridays for Future und viele andere Gruppen haben in kurzer Zeit viel erreicht. Die Bundesregierung verabschiedet ein Klimapäckchen, die EU einen „Green New Deal“, Investmentfirmen mahnen Klimaschutz an – die Brisanz des Themas ist weiten Kreisen der Bevölkerung bewusst geworden.

Leider sieht es so aus, als ob alle bisher ergriffenen Maßnahmen viel zu kurz greifen – sie kommen nach Expertenmeinung zu spät und sind zu zögerlich. Es erscheint unwahrscheinlich, dass so das Pariser Ziel von maximal 1,5° C Erwärmung erreicht werden kann.

Inzwischen scheint eine Art Überdruss um sich zu greifen – „Nicht schon wieder dieses lästige Klimathema!“ Hinzu kommen andere Schlagzeilen – Corona-Pandemie, Flüchtlingskrise, Börsencrash. Alles Themen, die zurecht ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nebenbei auch zeigen, wie effektiv entschlossenes staatliches Eingreifen in Katastrophenfällen sein kann.

Auf Seiten der Engagierten macht sich eine gewisse Erschöpfung bemerkbar. Was vielleicht zunächst wie ein Sprint ausgesehen hat, erweist sich nun als Ultra-Marathon. Was zunächst wie ein klar umrissenes Thema aussah erweist sich als verfilztes und verschachteltes Problem – wo soll man da anfangen, und wo hört es auf?

Diese Komplexität führt zu einer gewissen Zerstreuung der Klimabewegungen. Einige beginnen damit, den Kapitalismus zu bekämpfen, andere bekämpfen rechte Parteien, wieder andere ermahnen zu veganer Ernährung und Verzicht auf SUVs, manche setzen sich für Klima Migrant*innen ein, und mehr und mehr kommen einzelne Firmen (Siemens, Heidelberg Zement, RWE) in den Fokus des Protests.

Die ursprünglichen Adressaten des Klimastreiks, die politisch Verantwortlichen, geraten aus dem Blick. Sie ruhen sich auf ihren vermeintlichen „Lorbeeren“ aus und verweisen auf Sachzwänge. Ein jeder versteckt sich hinter dem anderen, verweist auf noch schlimmere Übeltäter, die ja auch nicht schwer zu finden sind.

Die Zeit drängt. Und auch wenn viele Menschen diesen Umstand verdrängen, ist er ebenso vielen bewusst. Aber das führt sie in eine Konfrontation mit zwei Gegnern – gegen die Physik und gegen die Mitmenschen, die sich vor der Einsicht sträuben. Die Physik verhandelt nicht. Ihr ist nur mit entschlossenem Handeln beizukommen. Um aber entschlossen genug zu handeln bräuchte es eine gewisse Einigkeit der Betroffenen, also von vielen, vielen Menschen.

Wie kann also die Klimabewegung weiter und wirkungsvoller vorankommen? Genügt es noch, Veränderungen zu fordern, oder müssen vielleicht eigenen Vorschläge erarbeitet werden? Ist die organisatorische Aufstellung der Klimabewegten noch angemessen, oder braucht es eine Institutionalisierung? Besteht die Möglichkeit, die vielfältigen Engagements zu bündeln um mehr Kraft zu entfalten?

Ich denke, dass solche Fragen wichtig sind, denn wie gesagt – die Zeit drängt.